Historische Schuld und Verantwortung

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In den letzten Jahren rückten die Schicksale ehemaliger Verdingund Heimkinder, administrativ Versorgter, Zwangssterilisierter und anderer Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen in den Fokus der Öffentlichkeit. Sowohl das Engagement der Betroffenen wie auch historische Forschungen und Medienberichte führten dazu, dass sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Namen der Landesregierung bei den Opfern entschuldigte und einen runden Tisch ins Leben rief. Luzius Mader und Sergio Devecchi ziehen ganz unterschiedliche Fazite dieser ersten Sitzungen. Schuldig gemacht haben sich viele Professionen – die Medizin, insbesondere die Psychiatrie, die Justiz, aber sicher auch die Soziale Arbeit respektive die damalige Sozialfürsorge und das Heimkinderwesen.
Sonja Matter beschäftigt sich in ihrem Grundlagenbeitrag mit der historischen Schuld und der Verantwortung der Sozialen Arbeit. Wolfgang Hafner beleuchtet am Beispiel des ehemaligen «Verbands für Schwererziehbare» (heute Integras) die Themen der Heimerziehung des frühen 20. Jahrhunderts. Dass die gravierenden Missstände im schweizerischen Fürsorgeund Heimwesen bis weit ins 20. Jahrhundert reichten, zeigen sowohl das bedrückende Porträt eines Betroffenen wie auch die Illustrationen von Clément Moreau. Jürgen Oelkers legt dar, dass auch reformpädagogische Pioniere nicht davor gefeit waren, sich schuldig zu machen. Sich von Grausamkeiten früherer Generationen zu distanzieren, fällt nicht schwer. Schwieriger, vielleicht auch schmerzhafter ist die Suche nach den blinden Flecken in der gegenwärtigen Sozialen Arbeit. Lucie Kniel-Fux bemerkt in ihrem Beitrag zu Zwangssterilisationen, dass «Fachpersonen des Gesundheits- und Sozialbereichs meist die vorherrschenden Werthaltungen der jeweiligen Gesellschaft mittrugen». Lukas Geiger macht im Zusammenhang mit der Aktenführung in der Sozialen Arbeit darauf aufmerksam, dass die Fehler von früher längst nicht alle definitiv behoben sind. AvenirSocial legt dar, mit welchen Instrumenten heute versucht wird, Missbräuchen in der Sozialen Arbeit vorzubeugen. Offen bleibt, welche unserer heutigen Haltungen und Praktiken für kommende Generationen unverständlich und entschuldigungsbedürftig sein werden?