Frühpädagogik

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Frühpädagogik – zwischen kindgerechter Förderung und familienentlastender Sozialpolitik

Den Bildungsbegriff im Zusammenhang mit frühkindlicher Förderung zu verwenden, löst in vielen Kreisen von stirnrunzelndem Unverständnis bis zum Abwinken mit dem schönen Satz  “Lasst Kinder doch Kinder sein“ eher ablehnende Reaktionen aus. Bildungspolitisch beginnt die frühe Förderung von Kindern in der Deutschschweiz erst ab dem 4. Lebensjahr mit Eintritt in den 2jährigen Kindergarten. Und auch das erst verbindlich nach dem Inkrafttreten desHarmos-Konkordates ab 2015, wobei in vielen Kantonen Eltern auf Gesuch hin ihre Kinder nicht in den bedrohlichen Kindergarten schicken müssen. Weitergehende Reformbemühungen wie die Zusammenführung von Kindergarten und den ersten Schuljahren als Grund- bzw. Basisstufe oder gar die im Ausland übliche organisatorische und pädagogische Zusammenführung von Kindergarten und Kita sind politisch entweder gescheitert oder werden gar nicht erst zu denken versucht.

FrüheFörderung von Kindern ab Geburt wird meist nur dann unterstützt (bzw. sogar für obligatorisch erklärt, wie im neuen Integrationsgesetz von Basel-Stadt), wenn sie sozial- oder integrationspolitisch begründet wird. Eine pädagogische Begründung, Kinder so früh wie möglich spielerisch zu fördern, wird jedoch kaum je vorgebracht.Genau dies will der nationale Orientierungsplan, der in wenigen Tagen offiziell vorgestellt wird und der (wie es Miriam Wetter, Geschäftsführerin von Kinderbetreuung Schweiz, in ihrem Beitrag auf Seite 12 betont)geradedank dieser Grundausrichtung sicherstellen will, dass Kinder Kinder sein können. Das Kindswohl ist nämlich in der öffentlichen Debatte um Rahmenbedingungen der frühkindlichen Betreuung und Bildung meist nur am Rande ein Thema undwird reflexartig mit der familiären Betreuung gleichgesetzt. Die unselige SVP-Kampagne gegen staatliche Bildung allgemein und frühkindliche im Besonderen fordert da offensichtlich auch weit in sonst bildungsfreundliche Kreise hinein ihren Tribut.

Neben einem kinderfreundlichen Bildungsansatz (Beitrag Seite 16) sind natürlich die fachlichen und personellen Rahmenbedingungen durchaus von Bedeutung, da der Ausbau der Betreuungsplätze und die Ausbildung der entsprechenden Fachleute beträchtliche gesellschaftliche Ressourcen erfordert. Ein rein quantitativer Ausbau führt nämlich zur grossen Gefahr der Vernachlässigung des qualitativen Ausbaus, wie er von verschiedenen Untersuchungen in der Schweiz und Deutschland zu Recht gefordert wird (Beitrag Seite xy). Ein Abbild dieses Spannungsbereiches geben die beiden Interviews, welche wir in der Wandelhalle des Bundeshauses mit SP- Nationalrätin Hildegard Fässler (Präsidentin KitaS) und FDP-Nationalrat Otto Ineichen (Stiftung Speranza, Stiftung Wirtschaft + Familie) geführt haben. Interessant ist dabei unter anderem die Frage: Wie kann der wachsende Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinder in den nächsten Jahren massiv erhöht werden? Braucht es dazu „Billig-Krippen“, geführt von Frauen, die nach ihrer eigenen Babypause gestützt auf eine Schmalspurausbildung als Ich-AG wieder ins Berufsleben einsteigen, oder ist eine koordinierte staatliche Initiative unter Einbezug der Schul- und Kindergarteninfrastruktur der erfolgversprechende Weg?SA_5:2012