Sozialstaat, wohin?

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Sozialstaat – wohin? So lautet der Titel dieses Heftes, der nicht von ungefähr kommt. Im Wahljahr 2019 werden wichtige Weichenstel­lungen vorgenommen: So stimmt der Kanton Bern im Mai über die «Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe» ab, wel­ches den Grundbedarf um acht Prozent kürzen will. Hasim Sancar beschreibt auf Seite 24 die Auswirkungen der Berner Sparpolitik und plädiert für den Volksvorschlag «Für eine wirksame Sozialhilfe». Wer nach dem «Wohin» fragt, blickt mit Vorteil auch aufs «Woher». Sonja Matter schaut in ihrem Beitrag historisch weit zurück und zeigt auf, wie der Ausbau des Sozialstaates im 20. Jahrhundert schritt­weise Zwangsfürsorge und systematische Grundrechtsverletzungen durch soziale Rechte und soziale Sicherheit ersetzte. Und Bettina Seebeck erklärt in einem kurzen Rückblick, wie sich die Empfehlun­gen der SKOS zum Grundbedarf seit 1998 verändert haben.

Eine Reihe von AutorInnen präsentiert in der Folge Blitzlichter aufs «Jetzt». Isabelle Bohrer diskutiert in ihrem Text die konkreten Aus­wirkungen von Einsparungen in der Sozialhilfe, welche auf Seiten der SozialhilfeempfängerInnen die Menschenwürde gefährden und auf Seiten der Sozialarbeitenden das Potenzial zu Willkür beinhal­ten. Ursula Christen, die den vorliegenden Schwerpunkt mitverant­wortet, befürchtet in ihrem Text, dass die mittlerweile allgegen­wärtige Missbrauchsdebatte die Errungenschaften des Sozial-­ und Rechtsstaats zersetzt, indem sie arme Menschen zu potenziell Kri­minellen macht und die übrige Bevölkerung zu deren VerfolgerInnen. Stefanie Kurt erörtert die unterschiedliche Höhe der Sozialhilfeleis­tungen im Asylbereich je nach unterschiedlichem Aufenthaltsstatus und weist auf das Paradox hin, dass bei immer weniger Mitteln zur gesellschaftlichen Teilhabe der Integrationsdruck steigt. Gespart wird auch bei der Kinderspitex, wie der Artikel von Thomas Engeli zeigt. Er beleuchtet darin die stossende Tatsache, dass Leistungen für kranke/behinderte Kinder gekürzt werden, obwohl die gesetzli­chen Bestimmungen diese Kürzungen nicht vorsehen.

Wie reagieren? Katharina Prelicz­Huber geht in ihrem Beitrag der Frage nach, was die Soziale Arbeit den Angriffen auf den Sozialstaat entgegnen kann. Sie hat konkrete Tipps, wie Sozialarbeitende mit ihrem kraftvollen Engagement wirksame Beiträge zu einer sozialen und solidarischen Gesellschaft leisten können. Miryam Eser Davolio, Rahel Strohmeier Navarro Smith und Milena Gehrig stellen eine Stu­die vor, gemäss welcher Fallkosten und Sozialausgaben sinken, wenn Sozialarbeitende weniger Fälle bearbeiten, und sie plädieren für eine Soziale Arbeit, die sich angesichts des anhaltenden Spardrucks mit unablässiger Kommunikation stichhaltiger und wissenschaftlich ab­gesicherter Argumente neu positioniert. Es gibt auch Ideen, wie der Sozialstaat, die Wirtschaft und das Zu­sammenleben grundlegend neu gestaltet werden könnten. Martin Müller hat zusammen mit Armin Eberli, ebenfalls mitverantwortlich für diese Ausgabe, den Mitbegründer der Gemeinwohl-­Ökonomie­-Bewegung Christian Felber zum Gespräch getroffen. All dies zeigt, dass die Soziale Arbeit gerade auch in schwierigen Zeiten und mit politischem und ökonomischem Gegenwind für ihre Anliegen einstehen und sich für sozial Schwache einsetzen muss. Sie leistet damit einen ganz wesentlichen Beitrag zum sozialen Frieden.