Sozialpsychiatrie

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Vom Umgang der Sozialen Arbeit mit psychischen Erkrankungen

Das Bundesamt für Gesundheit BAG gibt an, dass jährlich 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung an einer diagnostizierbaren psychischen Störung leiden. Die Anzahl psychisch kranker IV-RentenbezügerInnen stieg in den letzten Jahren kontinuierlich und stark überproportional an. Das Fazit des BAG: Psychische Störungen sind weit verbreitet und führen zu grossen individuellen und sozialen Belastungen. Das mediale Fazit der Weltwoche: Es droht die Invalidisierung der Gesellschaft.

Die Soziale Arbeit spürt diese gesellschaftlichen Tendenzen sehr direkt. Sowohl in der Sozialhilfe als auch in ambulanten und stationären sozialen Einrichtungen stellen Sozialarbeitende fest, dass sich ihre Klientel verändert. Sie sehen sich immer öfter mit psychisch beeinträchtigten KlientInnen konfrontiert.

Verschlechtert sich also die psychische Gesundheit unserer Gesellschaft? Studien streiten sich, ob man von einem zahlenmässigen Anstieg der psychischen Erkrankungen und Beeinträchtigungen ausgehen kann. Es ist jedoch bekannt – und dies interessiert wiederum die Soziale Arbeit –, dass die steigende Belastung auf dem Arbeitsmarkt und zusätzliche Stressoren wie z.B. schwierige Migrations- oder Fluchtgeschichten, Arbeitslosigkeit, mangelnde soziale Kontakte oder Armut die psychischen Belastungen verstärken.

Entsprechend liegt der Auftrag der Sozialen Arbeit in der Arbeit mit psychisch kranken oder beeinträchtigten KlientInnen darin, diese in der Alltagsbewältigung zu unterstützen und soziale Problemlagen gemeinsam anzugehen. Welches die Herausforderungen dabei sind und welche Rolle die Soziale Arbeit im Kontext der Sozialpsychiatrie einnimmt, damit beschäftigt sich die vorliegende Ausgabe von SozialAktuell und insbesondere Ruth Steiner in ihrem Einführungsartikel. Daniel R. White und Gert Hellerich werfen einen prüfenden Blick auf den Umgang der normativ ausgerichteten Sozialen Arbeit mit psychischen Abweichungen. Eine Reportage und ein Fachbeitrag zum Projekt Tagesstätte 65+ und ein Interview mit dem Sozialpädagogen Frank Hellerich zeigen, wie die sozialarbeiterische bzw. sozialpädagogische Arbeit mit psychisch beeinträchtigten Menschen in der Praxis aussehen kann. Einen Appell von Betroffenen an die Soziale Arbeit haben Christoph Lüthy von Pro Mente Sana und Elsy B. Moser verfasst. Der Schwerpunkt wird ergänzt von einem kritischen Beitrag von Niklas Bär zur 6. IV-Revision, die gerade für psychisch beeinträchtigte Menschen spürbare Konsequenzen hat.

Die Soziale Arbeit hat es nicht immer einfach im Feld der Psychiatrie. Als ungefestigte Profession trifft sie auf eine selbstbewusste Medizin, was dazu führt, dass der Sozialen Arbeit im therapeutischen Prozess oft lediglich eine Hilfsfunktion zugeschrieben wird, wie Cornelia Rüegger diagnostiziert. Die Autorin zeigt auf, welche Rolle die Soziale Arbeit als selbstbewusste Spezialistin für die soziale Dimension der psychischen Erkrankung innerhalb der Psychiatrie übernehmen könnte.SA_4:2012