Sozialpolitik

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Der Wind hat gedreht. Nach dem „sozialdemokratischen Jahrhundert“, in dem die sozialstaatlichen Leistungen über die reine Grundsicherung hinaus ausgeweitet worden sind, erleben wir seit der Jahrhundertwende europaweit einen politischen Rechtstrend. Die Angst vor den Folgen der Globalisierung und vor der Immigration gibt populistischen Kräften Aufwind – und nicht der eher kapitalismuskritischen Linken. Die sozialpolitischen Folgen der konservativen Wende: Die öffentliche Hand soll immer härtere Einsparungen machen, was sich auf die Sozialwerke und das staatliche Angebot im Sozialbereich negativ auswirkt.

Wenn es denn stimmt, dass die meisten Trends aus den USA irgendwann auch zu uns rüber schwappen, so werden sich die sozialpolitischen Auseinandersetzungen weiter verschärfen. In Amerika stehen sich zwei ideologisch radikal gespaltene Lager unversöhnlich gegenüber. Die Republikaner reiten unter Führung der Tea Party (und finanziert von Superreichen) einen Grossangriff auf den amerikanischen Sozialstaat, die Demokraten versuchen zu retten, was zu retten ist. Nachdem die öffentlichen Finanzen jahrelang auf tiefem Pegel gehalten worden sind und durch die Finanzkrise endgültig in eine bedrohliche Schieflage geraten sind, sollen sie jetzt durch die Ausdünnung von Sozialprogrammen wie etwa der staatlichen medizinischen Versorgung von Armen (Medicaid) und Senioren (Medicare) saniert werden. Zwei Drittel aller geplanten Kürzungen gehen zu Lasten der Sozialbudgets, indes die Reichen von neuen Steuersenkungen profitieren. Während nach den Vorstellungen der Republikaner Lebensmittelmarken oder Vorschulprogramme abgebaut werden sollen, sollen Bushs umstrittene Steuersenkungen für die hohen Einkommen beibehalten und die Top-Steuerrate weiter gesenkt werden. Das Sicherheitsnetz sei eine „Hängematte, in der gesunde Bürger durch Selbstzufriedenheit und Abhängigkeit eingeschläfert werden“. Dank ihrer finanziellen Stärke dominieren die Republikaner mit ihrer aggressiven Rethorik die Medienlandschaft in den USA dermassen, dass sie die Deutungshoheit über die sozialpolitischen Themen errungen haben und sogar arme Sozialhilfeabhängige gegen ihre eigenen Interessen stimmen.

Irgendwie kommt einem dieses Szenario bekannt vor. Auch hier zu Lande hat eine mit viel Geld orchestrierte Kampagne gegen (ausländische) Sozialbetrüger und Scheininvalide die Stimmung vergiftet, aber in breiten Bevölkerungskreisen grossen Anklang gefunden. Der Staat soll ich sich im Namen der „Freiheit“ möglichst wenig in Marktwirtschaft und Gesellschaft einmischen, Ausgaben für Soziales werden (wie vieles andere) bekämpft.In den letzten Jahren sind denn auch Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit mehr und mehr aus der Mode gekommen. Wer dies noch einfordert, wird als naiver Gutmensch abgestempelt, der die Augen vor Missbräuchen verschliesst, sozialistische Umverteilung betreibt und Schuldenberge anhäufen will.

Natürlich müssen die Sozialwerke finanzierbar und die Staatsausgaben in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Aber der soziale Ausgleich gehört zu den wichtigsten Errungenschaften der westlichen Demokratien. Werfen wir diese Sozialmodel nicht vorschnell über Bord. Eine gute Sozialpolitik wirkt sich positiv aus auf Wohlstand, Gesundheit, Lebenszufriedenheit und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft!