Sozialhilfe

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Während in der Fachpresse und in den Publikationen der wichtigsten Sozialhilfeakteure seit einigen Jahren die strukturellen Ursachen für den Sozialhilfebezug in den Vordergrund rücken, bildet in der öffentlichen Wahrnehmung das individuelle Verschulden nach wie vor die Hauptursache für einen Sozialhilfebezug. Insbesondere SKOS und Städteinitiative Sozialpolitik propagieren in zahlreichen Stellungnahmen, Positionspapieren und Absichtserklärungen, dass die Sozialhilfe ihren Integrationsauftrag nicht nur auf die berufliche Integration beschränken, sondern verstärkt auch auf die soziale Integration ausweiten müsse. Damit ist die Einsicht verbunden, dass neben der individuellen Lebensgestaltung vor allem sozialräumliche und gesellschaftliche Faktoren massgebend dafür sind, ob eine Person bedürftig wird oder nicht.

In den Medien wird dagegen mit stark verengter Sichtweise weiterhin darüber berichtet, mit welchen Mitteln Sozialhilfebezüger auf Teufel komm raus in den das Arbeitsleben reintegriert, „Integrationsunwillige“ vom Sozialhilfebezug abgehalten sowie „Sozialschmarotzer“ entlarvt und bestraft werden können. Eine differenzierte Darstellung gegenüber der breiten Öffentlichkeit ist, so scheint es, politisch nach wie vor nicht opportun.

So bewegen sich die Sozialarbeitenden in einem dauerhaften Spannungsfeld zwischen ihren eigenen professionellen Ansprüchen an ihre Arbeit mit Sozialhilfebezügern auf der einen und den Wahrnehmungen und Forderungen der breiten Öffentlichkeit auf der anderen Seite. Die Verantwortlichen der Sozialdienste, welche in der Regel ihre Tätigkeiten gegenüber der Bevölkerung darlegen müssen, sind dieser Gratwanderung besonders ausgesetzt. Nachdem Dorotee Guggisberg aus Sicht der SKOS die aktuellen Tendenzen der Sozialhilfe absteckt, beschreibt Brigitte Hunziker aus Sicht des Berufsverbandes avenir social die Zwickmühle, die die Rolle der Sozialarbeitenden in der Sozialhilfe prägt. In den weiteren Beiträgen analysieren Forscher/innen die Situation verschiedener Klientengruppen der Sozialhilfe. Dieter Haller analysiert dabei die Situation der von einer Mehrfachproblematik belasteten Personen und zieht daraus notwendige Konsequenzen für die Sozialarbeit. Insgesamt wird deutlich, welch unterschiedliche Anforderungen die jeweiligen Gruppen an die Sozialarbeitenden stellen bzw. welch ausdifferenziertes Instrumentarium der Professionellen diese komplexe Ausgangslage erfordert.

Schliesslich wird am Beispiel des Passage-Modells der Stadt Winterthur die Gratwanderung zwischen Inklusion und Exklusion verdeutlicht, wenn Ernst Schedler, Leiter des Sozialdienstes in Winterthur, und der Soziologe Kurt Wyss ihre sehr unterschiedlichen Positionen zur obligatorischen einmonatigen „Arbeitsgegenleistung als Voraussetzung für den Bezug von Sozialhilfe“ darlegen. Die damit eingeleitete Debatte zu Sinn oder Unsinn von Zwang bzw. Verpflichtung zu einer Gegenleistung in der Sozialhilfe ist eine Einladung an alle Leser/innen, diese wichtige Diskussion (wieder) aufzunehmen. Dies umso mehr, als nach der Stadt Winterthur nun auch die drei grössten Deutschschweizer Städte ein ähnliches Modell in die Praxis umgesetzt haben. Wir freuen uns auf Ihren Beitrag und somit auf einen offenen Diskurs um eine der zentralen Fragen der Sozialen Arbeit.