Macht

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Die Auseinandersetzung mit Macht und Ohnmacht ist in der Sozialen Arbeit ein unumgängliches Thema, allein die Erwähnung des Begriffs Macht löst jedoch oft ambivalente Gefühle aus. Letzthin sagte eine Kollegin beispielsweise: «Ich habe zweifellos Macht über meine KlientInnen – viele von ihnen mit Suchtproblemen. Ich kann ihnen die Auszahlung ihres Taschengeldes unter dem Hinweis verweigern, dass sie nicht zur vorgesehenen Zeit im Büro vorgesprochen haben. Wegen mir ist ihr Tag vermasselt, weil sie ihr Trinken nicht einkaufen können. Will ich aber dazu beitragen, ihre Lebenssituation zu verbessern, dann ist meine Macht oft mehr als begrenzt. Meinen Vorgesetzten oder externen Behörden geht es ähnlich mit der Macht über mich: Einmal bekommen sie sehr schnell von mir das Gewünschte. Ein anderes Mal müssen sie lange auf eine Leistung oder eine Auskunft von mir warten. Sie müssen sich dann von mir Erklärungen anhören, wie die Zusammenarbeit mit den KlientInnen sei nicht immer exakt planbar. Mitarbeitende von Behörden haben in der Regel keine Wahl, was sie von mir oder meinen KlientInnen fordern müssen. Sie haben sich an Gesetze und Budgets zu halten – auch wenn sie diese nicht erlassen haben und Mühe haben, dahinterzustehen.»
Nicht nur als SozialarbeiterInnen sind wir mit Macht und Ohnmacht konfrontiert, auch als Mitglieder der Redaktionsgruppe begegnen uns die beiden Pole. Einerseits können wir Themen setzen, Aufträge erteilen und Ausgaben gestalten. Gleichzeitig erleben wir jedoch hin und wieder ein Ausgeliefertsein. Wenn beispielsweise die vereinbarten Inhalte in den Beiträgen nicht berücksichtigt werden oder versprochene Artikel zu spät oder am Ende gar nicht eintreffen, dann stehen wir mit leeren Händen da und kommen unter Druck. Es scheint geradezu passend, dass für die vorliegende Ausgabe gleich zwei Beiträge erst nach Redaktionsschluss abgesagt wurden – und wir absolut machtlos sind.
Macht ist das Öl oder der Sand im Getriebe, je nach Blick- oder Fahrtrichtung. Im vorliegenden Schwerpunkt ist vereint, was sonst weit auseinanderliegt. Gleich zu Beginn kommt die Soziale Arbeit auf die Anklagebank. Daneben kommen Menschen mit Lernschwierigkeiten zu Wort, die ihre Ohnmacht nicht tatenlos hinnehmen. Weiter ist die Rede vom Stabilitätspakt der europäischen Union, von der Ermächtigung der Sozialarbeit durch die Schaffung der KES-Behörden, der Macht von unten am Beispiel eines Speaker’s Corner sowie den politischen Einflussmöglichkeiten unseres Berufsverbandes, der uns in unserer Professionalität stärkt. Wir laden Sie ein, entdecken Sie in unserem Schwerpunkt die explizit beschriebenen Machtzusammenhänge – und auch die verborgenen – und machen Sie in Ihrem Alltag gleich weiter damit. Dann haben wir die Chance, der Anklage im Grundlagentext, wir würden unser politisches Mandat nicht nutzen, etwas entgegenzusetzen.